Gotthund, Medizinhund ... nannten die Prärie-Indianer das Pferd


Die Blackfoot zum Beispiel gaben ihnen die Bezeichnung Großer Hund, die Sioux nannten es Medizinhund, die Comanchen Gotthund. Die trefflichste Namensgebung ersannen allerdings die Sarsi, die es als Sieben Hunde bezeichneten, was ungefähr die Arbeitsleistung zwischen Hund und Pferd am besten vergleicht.
Der Hund war bis das Pferd erneut in Nordamerika auftauchte - das einzige Arbeitstier - Tragtier - der Indianer. Großer Hund deutet den wahren, praktischen Wert des Pferdes am besten an. Die Frauen mußten alles das transportieren, was der Hund nicht tragen konnte. Mit dem Pferd änderte sich das Leben der Prärie-Indianer grundlegend.
Etwa um 7000 v Chr. war das Pferd ausgestorben oder ausgerottet worden. Hernán Cortés soll 1519 bei der Eroberung des Azteken-Reiches mit 10 Hengsten und sechs Stuten in Mexiko einmarschiert sein. Siehe dazu "Geschichte des Pferdes". Nur wenige Stämme versuchten bis dahin ein Leben auf den weiten der Prärien zu fristen. Immer mehr Spanier trafen ein und besiedelten das heutige Mexiko und den Südwesten der Vereinigten Staaten. Auch sie brachten immer mehr Pferde aus der Alten Welt mit. Schließlich drangen zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Spanier immer weiter nach Norden vor, gründeten Missionsstationen und bauten Bodenschätze ab.
Bei der Ausbreitung der Spanier begleitete sie auch das Pferd. Es waren Pferde hervorragender Abstammung - nämlich Kreuzungen aus Arabern, Berbern und Andalusiern.
Auf den spanischen Niederlassungen kamen die Indianer das erste Mal mit dem Pferd in Kontakt. Grundsätzlich war verboten, Indianern Pferde oder Waffen zu schenken, denn sie dienten den Spaniern ausschließlich als Kriegsgerät für ihre Eroberungen. Die Indianer durften aber als Stahlburschen, Hirten und Pferdeknechte für die Spanier arbeiten. Dabei erlernten sie allerdings das Reiten. Auch andere Stämme hörten von den neuen Tieren.
Auf freien Weiden hielten die Spanier die Pferdeherden, was dazu führte, dass sich viele Tiere verliefen. Nicht alle wurden wieder eingefangen, so dass sie zu den Indianern gelangten. Als die Indianer die Möglichkeiten der Pferde erkannt hatten, überfielen sie die spanischen Herden, um noch mehr dieser Tiere zu erbeuten. Als 1680 die Pueblo-Indianer sich gegen die Spanier erhoben, zahlreiche von ihnen umbrachten oder sie vertrieben, blieben die Pferde zurück, die nun von den Indianern eingefangen wurden.
40 oder 50 Jahre nach dem Aufstand der Pueblo-Indianer besaßen die Shoshoni im Norden und die Comanchen aus den Rocky Mountains eine Anzahl von Pferden. Immer mehr Stämme bekamen Pferde zu Gesicht, die einzigsten Tragtiere, die sie bis dahin kannten, waren Hunde. Für die Indianer waren die Pferde anfangs Hirsche, die ihr Geweih verloren hatten und wußten nicht, wie sie es nennen sollten. Da es die Sachen wie ein Hund schleppte, nannten die meisten Stämme es "Großer Hund" - siehe oben.

Die Apachen verwendeten das Pferd für Überfälle, um weitere Tiere zu erbeuten. Eine besondere Zuneigung erlangten sie allerdings nicht, da sie auch bereit waren, ein Tier, wenn es aus Nahrungsmangel erforderlich war, zu essen. Es war auch nicht die Art der Apachen sich auf Pferden dem Feind zu zeigen, sie griffen lieber heimlich und listig zu Fuß an.
Sofort mit den Pferden kamen die Arapaho, Blackfoot, Cheyenne, Comanchen, Kiowa und Sioux zurecht, als ob sie für das Reiten geboren wurden waren. Die Tiere machten sie zu den Herren der Great Plains - es machte eigentlich das Nomadenleben der Prärie-Indianer erst möglich. Stämme, die nur mühsam mit der Jagd und dem Ackerbau ihr Dasein fristeten, erlebten mit Pferd ein neues Leben. Endlich konnten sie das Wild auf eine Weise jagen, dass ausreichend viel Fleisch und Felle zur Verfügung standen. Ferner wurde es möglich ganze Dörfer an einen anderen Ort zu tranportieren und mit Stämmen, die Tausende von Kilometer entfernt wohnten, Handel zu treiben. Feindliche Stämme waren erreichbar und konnten Überfallen werden. Die gesellschaftliche Struktur innerhalb eines Stammes änderte sich ebenfalls, indem einige reich und mächtig, andere arm und unbedeutend wurden.

Was für die Alltagsprobleme der Prärie-Indianer segensreich war, brachte in anderer Hinsicht auch Probleme. Das Pferd wurde Hilfsmittel bei Raubzügen, brachte damit dem Räuber Reichtum und wurde selbst begehrenswerte Jagdbeute. Pferdediebstahl entwickelte sich zu einem vielbewunderten Männlichkeitsbeweis. Sehr geschickte Pferdediebe wurden die Comanchen, die vor allem die Pferde der Apache und Spanier raubten. Großangelegte Raubzüge führten so viele Comanchen-Krieger aus, dass sie im Operationsgebiet überlegen waren. Dort richteten sie dann ein Kriegslager ein, in das alle Beutestücke gebracht wurden. Bei einem dieser Kriegszüge drangen sie mit den verbündeten Kiowa bis nach Zentralmexiko vor.
Mit der weiteren Verbreitung des Pferdes nahmen auch die Überfälle zu. Es gab kein gemeingültiges Gesetz, denn jeder Stamm hatte seine eigenen Gesetze. Die Sioux führten Raubzüge gegen die Crow, die Cheyenne gegen die Kiowa usw.

Von den Waldgebieten des Ostens bis zum Pazifik errichteten die Spanier befestigte Niederlassungen und Missionsstationen, nur in den Great Plains kamen sie nicht weiter nördlich als bis San Antonio. Von da an beherrschten die Comanchen die weiteren Nordgebiete.
Das Pferd machte die Comanchen und anderen Prärie-Stämme zu wesentlich erfolgreicheren Jäger als je zuvor. Mit ihm konnten sie nun endlich auch den Bison effektiver jagen als sie es je zu Fuß hätten machen können.
Mit dem Pferd entwickelte sich auch der Handel. Viel größere Entfernungen konnten zurückgelegt werden. Obwohl schon vor dem Eindringen der Weißen der Handel seit unendlichen Zeiten florierte, war es jetzt erst möglich auch Handel mit bisher unbekannten Stämmen zu treiben. Meeresmuscheln, Lachsöl und Klippfisch kamen von der Nordwestküste, Waren, die gegen Adlerfedern und Kriegsschmuck getauscht wurden. Besonders wichtig für die Prärie-Indianer waren aber die Stangen für das Tipigerüst. Sechs bis acht Meter lang mußte eine solche Stange sein und leicht genug, um von einem Pferd transportiert werden zu können, jedoch mußten sie auch stark genug sein, um das Gewicht der Bisonhäute zu tragen. Diese Hölzer waren aus Fichte und kamen aus den Rocky Mountains.
Oft hatten früher solche Tauschgeschäfte zwischen weit entfernten Regionen Monate, ja sogar Jahre gedauert. Mit dem Pferd erhöhte sich der Handel um ein Zehnfaches und mehr. Auch das Pferd wurde zu einem begehrenswerten Tauschobjekt.

Zur Zeit der Hundetravois konnte ein Lagerplatz nur 10 Kilometer verlegt werden, mit der Einführung des Pferdes waren 50 Kilometer durchaus möglich. Drei Pferde waren nötig, um ein Tipi von etwa viereinhalb Meter Höhe zu transportieren - zwei beförderten die etwa 12 Zeltstangen und eins den Überzug aus Bisonfell. Die hochaufragenden Zelte reicher Häuptlinge besaßen etwa 30 Stangen, die etwa 10 Meter lang waren, für diese Stangen benötigte man alleine 15 Pferde. Je mehr Pferde ein Indianer hatte, desto mehr Besitztümer konnte er anhäufen. Ein reicher Mann ließ auch seine Lieblingsfrau auf einem Pferd mit reichverzierten Sattel- und Packtaschen reiten. Weitere Pferde trugen die anderen Besitztümer einer Familie. Familien des Mittelstandes verwendeten für den Transport ihrer Habseligkeiten neben den Pferden auch noch Hunde. Arme Familien liefen neben dem vollgepackten Pferd her.
Das Pferd veränderte auch die innere Sozialstruktur der Stämme. Besonders die der Frau verbesserte sich - sie brauchten nicht mehr schwere Lasten schleppen, dies tat jetzt das Pferd. Kurzfristig bekamen sie mehr Zeit für das gesellschaftliche Leben, ebenso für Handarbeiten. Später verwendeten sie die gewonnene Zeit für das Bearbeiten von Bisonhäuten, die nun verstärkt von den Jägern ins Lager gebracht wurden. Hilfspersonal wurde benötigt, besonders bei erfolgreichen Jägern. Es gab zwar schon vor der Einführung des Pferdes bei verschiedenen Stämmen die Vielweiberei in bescheidenen Umfang, nun wurde sie aber bei reichen Männern immer beliebter.
Ein weiterer Effekt, der das Pferd brachte, war die Aufteilung der Stämme in verschiedene Klassen. Ein zu Fuß jagender Indianer benötigte früher seine ganze Kraft, um das Überleben zu sichern. Mit dem Pferd entwickelte sich eine sogenannte Wohlstandsgesellschaft, die sich in drei Gesellschaftsklassen aufteilte: Eine Oberschicht, von der erwartet wurde, die Verantwortung der Gruppe zu übernehmen und sich großzügig zu erweisen; eine Mittelschicht, die zahlreiche Vorrechte der Oberschicht genoß, jedoch weniger besaß, allerdings das Rechte hatten, die Gruppe zu verlassen, um sich einer anderen anschließen zu können und einer Unterschicht, die nur wenige Pferde und Besitztümer besaß und auf die Großzügigkeit der Oberschicht angewiesen war. Zu einem gewissen Maße war der Status vererbbar, aber ein erfolgreicher Jäger und ein mutiger Krieger konnte den gesellschaftlichen Status - die Klassenzugehörigkeit - seiner Familie positiv beeinflussen.

Die Comanchen fesselten ihre neugefangene Pferde, warfen sie zu Boden und der neue Besitzer blies ihm Atem in die Nüstern, womit er das Symbol der Herrschaft dem Tier mitteilte. Nachdem ihm das Zaumzeug angelegt wurde, wurde das Wildpferd mit einer sanften Stute einige Tage zusammengebunden. Der Besitzer beschäftigte sich täglich mit dem Pferd, um es an Menschen zu gewöhnen. Wenn das Wildpferd von der Stute losgebunden wurde, blieb es meist in ihrer Nähe. Dann folgte der Prozeß des Einreitens, dazu führte der Besitzer das Wildpferd in tieferes Wasser, in einen Sumpf oder in eine Sandgrube. Das Pferd konnte nicht so leicht bocken und für den Reiter waren die Stürze weniger schmerzhaft. Die Comanchen und auch andere Stämme kastrierten die meisten Hengste, da ein Wallach leichter abzurichten war, nur die besten Tiere wurden als Zuchthengste behalten.
Weit bessere Pferdezüchter als die Comanchen waren die Nez Percé, trotz alledem verstanden die Comanchen die Eigenschaften eines guten Pferdes zu erkennen. Beim Heranwachsen wurden Körperbau, Farbe und Temperament beobachtet und im Alter von zwei Jahren wurden die Fohlen in Richtung Geschwindigkeit, Furchtlosigkeit, Ausdauer, Gelehrigkeit und Verwendung gemustert. Um sein Bison- und Kriegspferd zu schonen, ritt der Krieger ein Durchschnittspferd. Ging es nun zum Kampf oder auf die Jagd verwendete ein Krieger auch keine Stute, denn es waren die Pferde der Kinder und Frauen.
Besaß ein Tier hervorragende Anlagen, bildete der Besitzer es zu einem Bison- oder Kriegspferd aus. Oft kam ein und das selbe Tier im Kampf wie auf der Jagd zum Einsatz. Kriegspferde mußten die Schreie und den Kampflärm ertragen, aber auch auf die Befehle seines Herren reagieren, die per Schenkeldruck erteilt worden. Fast genau die gleichen Eigenschaften wurden auch von einem Bisonpferd verlangt. Schnelligkeit und Furchtlosigkeit, um sich an eine Bisonherde heranzuwagen, ein sehr gutes Reaktionsvermögen, um bei Angriffen eines Bisons auszuweichen und Ausdauer, um einer davon galoppierenden Bisonherde über lange Strecken folgen zu können.
Die Comanchen schätzten ihr Lieblingspferd, streichelten und striegelten es und des nachts pflockten sie es aus Sicherheitsgründen nahe dem Tipi an.
Das Zaumzeug wurde von den Prärie-Indianer selbst angefertigt. Das Muster für die Verzierung waren eigene Ideen oder abgewandelte spanische Muster. Als Material verwendeten sie Pferde- oder Bisonhaar, Rohautleder und gegerbtes Leder. Die Zügel hatte eine stählerne Gebißstange, meist jedoch wurde um den Unterkiefer des Pferdes nur eine dünne Lederschnur geschlungen. Um das Pferd im Kampf oder bei der Jagd nicht unnötig zu belasten, ritt man ohne Sattel oder nur mit einem einfaches Fell oder mit einem aus Fell gepolsterten Sattel. Für Traglasten, Frauen und alte Männer wurden Sattel aus einem Holz-und-Horn-Rahmen gebaut, der mit Sehnen und nassen Rohautleder umwickelt war. Beim Trocknen schrumpfte die Haut und hielt die Teile fest aneinander. Zu den letztgenannten Satteln gehörten noch Steigbügel, die aus grünen Holz bestanden und in entsprechende Form gebracht wurden.

Das beliebeste Spiel war das Pferderennen. Bei jedem größeren Treffen fand auch ein Pferderennen statt. Nicht nur das Rennen war bei den Prärie-Indianern beliebt, sondern auch die dazugehörigen Wetten. Mancher Krieger verwettete dabei seinen gesamten Besitz. Bei den Comanchen waren Pferderennen genauso auf der Tagesordnung wie ihre Raubüberfälle. Eines der denkwürdigsten Pferderennen fand Mitte des 19. Jahrhunderts in Fort Chadbourne in Texas statt. Das Rennen wurde zwischen Garnisonssoldaten und Comachen ausgetragen. Die Comanchen gewannen, wie zuvor bei den Kickapoo in Oklahoma, wo sie nach dem Sieg 600 Ponys ihr eigen nennen durften.

Berittene Jäger waren bei der Bisonjagd die wirkungsvollste Jagdmethode, die allerdings sowohl Verletzte und Tote bei Reiter und Pferd bringen konnte.
Vor dem Pferd fristeten die Randbewohner der Plains ein gefahrvolles sowie mühsames Leben.

Zusammenfassend waren die Prärie-Indianer großartige Reiter, die mit ihren Reiterkunststücken Forschungsreisende so beeindruckten, dass sie die Prärie-Indianer als Pferde-Indianer bezeichneten.
Für viele Stämme dauerte die Hochblüte der Pferdekultur kaum 100 Jahre. Ein berittener Indianer war für die Weißen ein unangenehmer Gegner, weshalb sie versuchten die Indianer-Pferde auszurotten. Glücklicherweise ist ihnen dieses Vorhaben nicht gelungen. Heute haben einige Stämme sogar mit der Pferdezucht wieder begonnen, so z. B. die Sioux.
Anmerkung:
Wer das Einfangen und Einreiten in einer spannenden Geschichte nachlesen will, der sollte sich den 4. Band von "Die Söhne der Großen Bärin" mit dem Titel "Heimkehr zu den Dakota" besorgen. Im Buch wird beschrieben, wie Stein mit Hörner (später Tokei-Itho) ein fahlen Hengst - das Leittier einer Pferdeherde - einfängt. Das Buch hat Lieselotte Welskopf-Henrich geschrieben. Für mich eines der besten Bücher dieser Reihe.
Wer nicht lesen möchte, sondern lieber einen Film ansehen will, der sollte sich das Video - vielleicht gibt es ihn bereits auf DVD - "Apachenblut" besorgen. In ihm wird die Zuneigung eines Indianerjungen zu einem Pferd geschildert.